Von der Identität

Diesmal geht es, im Zusammenhang mit der „Deutschen Ideologie“ um das Problem der Identität.
Erstmals veröffentliche ich neben PDF und EBUP auch eine MOBI Version.
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Von der Identität

„Identität bedeutet vielerlei.“
[Aristoteles: Metaphysik. Philosophie von Platon bis Nietzsche, S. 4443 (vgl. Arist.-Metaph., S. 191) http://www.digitale-bibliothek.de/band2.htm ]
Der Affe, der in den Spiegel schaut, den roten Fleck am Kopf entdeckt und bemerkt „das bin ja ich !“ auch wenn er es nicht sagen kann, hat bereits ein Grundverständnis seiner eigenen Identität.
Aber nicht nur das: Sofern er Orange von Bananen und Ananas unterscheiden kann, – er wäre lebensuntauglich wenn er das nicht könnte, – bildet er Identitäten.
D.h. Identität bedeutet nicht nur vielerlei, sondern die Fähigkeit etwas als identisch zu erfassen und ist elementarer Bestandteil jeder Erkenntnis.
Wir erkennen indem wir identifizieren.
Um so wichtiger, dass wir dieses Vielerlei etwas sortieren.

Über die Voraussetzungen der Logik
„Das zweite Problem
Eine weitere Streitfrage ist die über die Prinzipien des Beweisens. Gehören sie einer Wissenschaft oder mehreren an? Unter den Prinzipien des Beweisens verstehe ich die gemeinsamen Grundsätze, auf Grund deren man überall einen Beweis führt, z.B. den Grundsatz, daß man notwendig jegliches entweder bejahen oder verneinen muß, und daß es unmöglich ist, daß eines und dasselbe zugleich sei und nicht sei, und was es etwa sonst an derlei obersten Sätzen geben möchte. Die Frage ist, ob alles dies einer und derselben Wissenschaft wie der Wissenschaft von der reinen Wesenheit angehört, oder einer anderen, und wenn nicht einer und derselben, welche von beiden man als die Wissenschaft, die wir im Auge haben, anzusprechen hat.“
[Aristoteles: Metaphysik. Philosophie von Platon bis Nietzsche, S. 4160-4161 (vgl. Arist.-Metaph., S. 40-41) http://www.digitale-bibliothek.de/band2.htm ]

Aristoteles spricht hier von 2 Dingen: Einmal geht es darum, ob Beweismethoden Gegenstand einer speziellen Wissenschaft sind oder nicht, das interessiert uns hier nicht weiter, zum anderen liefert er aber auch ein Beispiel für die „Prinzipien des Beweisens“:
„ den Grundsatz, daß man notwendig jegliches entweder bejahen oder verneinen muß, und daß es unmöglich ist, daß eines und dasselbe zugleich sei und nicht sei, und was es etwa sonst an derlei obersten Sätzen geben möchte.“
Dieser Grundsatz ist sehr bekannt und zwar unter dem Namen „Satz von der Identität“. Jegliches logisch-rationale Denke leidet sich von diesem Grundsatz ab.
Etwas tautologisch leitet man aus dem gleichen Grundsatz den „Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch“ her.
Beides bedeutet eigentlich dasselbe: A=A und A#nicht-A.
Für Aristoteles ist dieser Satz die Voraussetzung jeglicher Beweisbarkeit.
Man muss die Gültigkeit dieses Satzes unbedingt unterstellen, wenn man irgendwas aus irgendwas herleiten will.
Heutzutage benutzen wir Logik nicht nur zum Beweisen, z.B. in der Mathematik, der Juristerei oder beim Krimi, heutzutage ist die Logik in elektronischen Schaltkreisen viel wichtiger als jedes logisch-rationale Beweisen-Wollen.
In der Schaltalgebra gibt es immer nur 2 klar definierte Zustand: Ein/Aus, Null/Eins oder positive/negative Spannung. Diese Zustände müssen klar definiert sein und das kontrollierte Erreichen dieser Zustände muss garantiert sein. Natürlich ergeben sich während des Schaltens viele, verschiedene Zwischenzustände. Deswegen ist so ein Baustein getaktet, d.h. er hat eine Uhr, die die Zeit in Quanten zählt. Jeder Zeittakt muss dabei so lange dauern, dass der Schaltvorgang abgeschlossen ist und damit alle Zwischenstände aufgegeben wurden.
Verharrt ein solcher Schalter zwischen 0 und 1 oder zwischen 1 und 0 produziert die Schaltung einen Fehler.
D.h. es gilt unbedingt der „Grundsatz, daß man notwendig jegliches entweder bejahen oder verneinen muß“.
Wir kennen genau 2 identitäre Zustände, die durch bestimmte physikalische Parameter repräsentiert werden (z.B. -5 Volt und + 5 Volt). Dabei kommt es nicht auf die genaue technische Realisierung an, sondern darauf, dass diese Zustände unter definierten Bedingungen sicher erreicht werden. Unsere 2 „Identitäten“ müssen klar unterschieden sein und wir müssen sicher sein können, dass alle anderen möglichen Zustände immer dann, wenn wir z.B. den Wert einer NAND- oder NOR-Schaltung ablesen, sicher verlassen wurden. Ohne dass die Schalter in einem „identischen“ Zustand gebracht werden, funktioniert keine Logik. Ein Schalter, der „hängt“, d.h. nicht richtig schaltet, produziert unvorhergesehene Ergebnisse.
Umgekehrt: Nur dadurch, dass 0 und 1 als Identitäten garantiert sind, kann man sich darauf verlassen, dass z.B. ein Addierwerk, wenn es 2 Zahlen addiert am Ende bei gleichen Zahlen auch das gleiche Ergebnis produziert.
Daraus darf man nun nicht den falschen Schluss ziehen, als sei Identität nichts weiter als eine Konvention, die genauso gut gelten als auch nicht gelten kann.
Wir müssen von 2 Gegebenheiten ausgehen:
1. Erkennen ist kein Selbstzweck. Wir versuchen unsere Umwelt so gut als möglich zu verstehen, ihre Wahrheit zu erkennen, weil wir von und mit ihr leben.
2. Erkennen, Informationsverarbeitung, ist ein hochkomplexer Prozess, der seine Eigengesetzlichkeiten hat. Deswegen müssen wir nicht nur unsere Umwelt verstehen, wir müssen auch uns selbst verstehen und wie wir denken.
Und vor allem müssen wir verstehen, dass beides in einer Wechselwirkung miteinander verschränkt ist:
„Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus – den Feuerbachschen mit eingerechnet – ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als menschliche sinnliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv. Daher geschah es, daß die tätige Seite, im Gegensatz zum Materialismus, vom Idealismus entwickelt wurde – aber nur abstrakt, da der Idealismus natürlich die wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht kennt. Feuerbach will sinnliche, von den Gedankenobjekten wirklich unterschiedene Objekte; aber er faßt die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit. Er betrachtet daher im »Wesen des Christenthums« nur das theoretische Verhalten als das echt menschliche, während die Praxis nur in ihrer schmutzig-jüdischen Erscheinungsform gefaßt und fixiert wird. Er begreift daher nicht die Bedeutung der »revolutionären«, der »praktisch-kritischen« Tätigkeit.“
[Marx: Thesen über Feuerbach. Marx/Engels: Ausgewählte Werke, S. 829 (vgl. MEW Bd. 3, S. 533) http://www.digitale-bibliothek.de/band11.htm ]
„Wahrheit“ ist kein abtraktes Prinzip. Es geht bei unserem Erkennen immer um die Wirklichkeit als von uns als Einzelne, als Gruppe oder als Menschheit insgesamt gestalt- und veränderbare Umwelt.
Diesem Ziel dient letztlich jedes Erkennen. Natürlich spielen wir auch. Dann verlassen wir die Zweckbindung und probieren einfach nur, was passiert. Dann werden wir wieder Kinder. Und wieder Kind sein zu dürfen ist für uns großes Glück.
Aber am Ende jedes Spiels weiß jedes Kind, wissen wir, ein bisschen mehr über diese Welt und werden damit freier der Welt von Angesicht zu Angesicht zu begegnen.
Die Wahrheit jeglicher Erkenntnis erweist sich in ihrer praktischen Anwendung. Diese Anwendung kann spielerisch erfolgen, d.h. so, dass wir bestimmte Grenzen, jenseits derer wir oder andere Schaden nehmen könnten, respektieren oder sie kann Ernst sein und gefährlich wird es, wenn sie zum blutigen Ernst wird.
Aber ohne praktische Erprobung existiert keine Wahrheit.
Logik erlaubt uns nun in einem begrenzten Rahmen auf Praxis zu verzichten, in dem wir aus unserer bisherigen Praxis heraus Modelle entwickeln, Maschinen konstruieren, die Vorhersagen über die Zukunft erlauben.
„Wenn Du das tust, wird jenes passieren !“
Logik hat aber Grenzen. Logisches Denken benötigt die Identität.
Ich bin aus der Pfalz und somit Deutscher. Wenn Napoleon nicht an der Beresina und bei Leipzig Schlachten verloren hätte, wäre ich genauso selbstverständlich Franzose.
Eine der ältesten Pfälzer Städte ist Weissenburg (Wissembourg).
Sie blieb auch nach 1814 französisch und somit sind alle Weissenburger Franzosen.
Ob ich Deutscher oder Franzose bin ist einerseits Zufall, hat aber andererseits viele praktische Konsequenzen, bei der Sprache angefangen.
Obwohl mir immer jene damals 80jährige Elsässerin in Erinnerung bleiben wird, die sich Ende der Siebziger unserer Demonstration gegen Berufsverbote anschloss, mir dabei ihre sehr kritische Sicht über den „Schwoab“ Filbinger und die Nazis vermittelte, um mir am Ende zu erklären, als die Redner französische sprachen, dass sie, die Elsässerin und französische Staatsbürgerin, kein Französisch verstand. Sie war schließlich zur „Kaiserzeit“ in die Schule gegangen und damals war es verboten in der Schule französisch zu sprechen.
Es ist manchmal so eine Sache mit der Identität.
Aber wie sollte jene Frau überhaupt Staatsbürgerin sein, wählen dürfen, wenn sie nicht klar und eindeutig die französische Staatsbürgerschaft besitzt.
Nationalistische Forscher beider Seiten nach der „wahren Identität“ hätten die ihr sicher abgesprochen.
Darauf kann man nur antworten: Die wahre staatsbürgerlich Identität ist immer die, die im Pass steht.
Die Behauptung hinter der eh‘ schon auf allen Ebenen schwierigen, aber notwendigen Identitätsbestimmung, gäbe es noch ein „Eigentliches“ mystifiziert das Problem nur, statt zu seiner Lösung bei zu tragen.
Wir müssen etwas als identisch setzen, damit wir aus A=B und B=C A=C schließen können.
Es leuchtet unmittelbar ein, dass wenn A in seinem A-Sein zweifelhaft ist, aus A überhaupt nichts folgen kann.
Wer „staatenlos“ ist, dem wurde amtlich jegliche staatsbürgerliche Identität abgesprochen und deswegen darf er auch nirgends wählen.
Er ist nirgends „daheim“, auch wenn er, wie einer meiner früheren Bekannten das breiteste „Mannermerisch“ spricht und zeit seines Lebens nie aus Mannheim heraus gekommen ist.
Dass man heute 2 Staatsbürgerschaften haben kann, bedeutet nur, dass man manchmal z.B. Franzose und manchmal Deutscher ist, es bedeutet nie, dass man beides gleichzeitig ist.
Wir brauchen also die Logik um nicht jede Erfahrung täglich von neuem machen zu müssen und die Logik benötigt Gewissheit über die zu Grunde liegenden Identitäten, weil anders gar keine Schlüsse gezogen werden können.
Aus der Notwendigkeit Identitäten zu bilden folgt aber keineswegs, dass es irgendwas auf dieser Welt gäbe, das nur unter eine Identität subsummiert werden kann und dessen „eigentliches“ Wesen durch eine solche Identität bestimmt wäre.
Im Gegenteil: Wir sind nur, wir leben nur, insofern wir identisch und nicht-identisch zu gleicher Zeit sind.

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